Untere Isar von 1800 bis heute

Der Isarabschnitt unterhalb von Landshut wird als Untere Isar bezeichnet. Um den heutigen Zustand der Unteren Isar zu verstehen, muss man einige Jahrzehnte bzw. 2 Jahrhunderte zurückschauen.

Um 1800 herum bestand das Tal der unteren Isar noch zu 80% aus Gries (Sand, Kies), Moos, Auwäldern und einem wechselhaften Flusslauf mit vielen Altwässern. Ein Großteil der Talfläche war Sumpf und Überschwemmungsgebiet. Wo sich heute in Dingolfing ein großes Automobilwerk befindet, steht im Plan des Isartales von Adrian von Riedl (1802) noch "die große Sümpf".
Viele Überschwemmungen Anfang des 19. Jahrhunderts (1807, 1808, 1809, 1819, 1821, 1824, 1830, 1835, 1837) sind in den regionalen Chroniken verzeichnet. Daher gab es seit Beginn des 19. Jh. Bemühungen zur Regulierung und Korrektion der Isar.

1811-17 beschreibt Carl Friedrich von Wiebeking u.a. Inn, Lech und Isar so: "Sie laufen wild dahin und sind in ihrem jetzigen Zustand mehr eine Geisel als eine Wohlthat des Landes…"
Die Korrektionen der Isar begannen dann um die Mitte des 19. Jh. an der oberen Isar und wurden anschließend auch auf die Untere Isar ausgedehnt.
Die sog. Mittelwasserkorrektion fand hier ungefähr zwischen 1860 und Jahrhundertwende (1905) statt. Hintergrund waren Anlandungen, ein verstärkter Geschiebeanfall, der Fluss wuchs in die Höhe, die Überschwemmungsgefahr stieg, die Floßfahrt war erschwert und die Landwirtschaft litt unter hohen GW-Ständen.

Die Hochwasserprobleme waren aber nicht gelöst – im Gegenteil, man denke nur an die Hochwässer 1899, 1924, 1940 und 1954 (Folge waren u.a. der Bau des Sylvensteinspeichers und der Bau des Hochwasserschutzes von Landshut insbesondere mit der Flutmulde).

Auch traten jetzt nicht gewollte Eintiefungen auf, die z.B. zum Bau des (inzwischen nicht mehr vorhandenen) Albinger Wehres unterhalb Landshuts führten (1916).

Da man Anfang des 20. Jh. vom baldigen Ende der Kohlevorräte ausging, wurde 1907 von der kgl. Obersten Baubehörde im Staatsministerium des Innern das umfangreiche, 3-bändige Werk zu den Wasserkräften Bayerns verfasst. Dort wurde vermutet, dass den Wasserkräften im 20. Jh. eine die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse tief beeinflussende Bedeutung zukommen wird. Die Wasserkräfte wurden hier als "weiße Kohle" bezeichnet.
In der Folge wurden die damals noch vorhandenen Wasserkraftpotentiale weitgehend ausgebaut, so auch an der Unteren Isar.

Dies führte zum Bau der Kraftwerkstreppe Untere Isar, Bau durch Energieversorgungsunternehmen (EVU):

  • 1923 Gründung der Unteren Isar AG zum Ausbau der Unteren Isar für die Energieerzeugung
  • 1941 Auflösung der Gesellschaft
  • Nach dem 2. Weltkrieg: Aufgreifen der Pläne durch die Bayernwerk AG und Anpassung der Pläne an die aktuellen Erfordernisse
  • Geplant waren 9 Kraftwerke, gebaut wurden 4 Kraftwerke:
    • 1949/51 Bau der Stufe Altheim (Rückbau des Albinger Wehres, da im Staubereich)
    • 1949/51 Bau der Stufe Niederaichbach
    • 1955/57 Bau der Stufe Gummering
    • 1955/57 Bau der Stufe Dingolfing.
  • Auf die restlichen 5 Stufen (Mamming, Landau, Ettling, Pielweichs, Isarmünd) wurde aus wirtschaftlichen Gründen verzichtet (die Nutzung der Kernenergie war in den Vordergrund gerückt und billiger).

Die Folgen der Flussregulierungen der Jahrhundertwende, der Hochwasserschutzbauten, des Geschiebeentzugs durch Speicher und Staustufen waren:

  • Sinken der mittleren Wasserstände
  • Absinken des Grundwassers
  • Gefährdung von Brücken, Versorgungsanlagen und sonstigen Bauwerken
  • Veränderung des ökologischen Gleichgewichts der uferbegleitenden Aue.

Dies führte zur Notwendigkeit der Sanierung der Unteren Isar durch den Freistaat Bayern, vertreten durch das Wasserwirtschaftsamt (WWA) Landshut.

Die Lösungsvarianten

  • Belassung im derzeitigen Zustand,
  • Sohlsicherung durch Berollung,
  • Sohlgurte und Sohlschwellen,
  • Künstliche Geschiebezugabe,
  • Verbreiterung des Gerinnes,
  • Kleine Abstürze oder Wehre,
  • Sohlrampen,
  • Stützschwellenkraftwerke,
  • Stützkraftstufen
    wurden in verschiedenen Untersuchungen des WWA Landshut 1977 (im Auftrag der Obersten Baubehörde), des damaligen Landesamtes für Wasserwirtschaft (Ökotechnische Modelluntersuchung Untere Isar) sowie Modellversuchen der Technischen Universität München bewertet und das nachfolgende Gesamtkonzept durch das WWA Landshut ermittelt und gemeinsam mit einem Energieversorger (Kraftwerksbetreiber) realisiert:
  • Baumaßnahmen:
    • 1975/77 Stützschwellenkraftwerk Gottfrieding
    • 1981/85 Stützkraftstufe Landau
    • 1986/89 Stützkraftstufe Ettling
    • 1990/94 Stützkraftstufe Pielweichs mit Sohlstützschwelle Plattling

Die Kosten für die Stauanlagen wurden zwischen dem Kraftwerksbetreiber und dem Freistaat Bayern aufgeteilt, wobei die Kraftwerke selbst ausschließlich vom Kraftwerksbetreiber finanziert wurden.

Einem Fortschreiten der Eintiefung unterhalb der Sohlstützschwelle Plattling (Isarmündung von Fl.km. 8,3 bis 0,0) begegnet das WWA Deggendorf durch i.d.R. jährliche Geschiebezugaben, stabilisiert so den derzeitigen Zustand, so dass die Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts im Mündungsgebiet der Isar (Naturschutzgebiet Isarmündung und FFH-Gebiet) nicht gefährdet ist.

In den Jahren 2009 bis 2012 wurde für die Untere Isar einmalig in Bayern ein ökologisches Entwicklungskonzept erstellt, welches sowohl die Belange der Gewässerentwicklung als auch den FFH-Managementplan integriert (sog. "Landshuter Modell") und gemeinsam von Regierung von Niederbayern (Höherer Naturschutzbehörde), Wasserwirtschaftsamt Landshut und dem Kraftwerksbetreiber E.ON (heute Uniper) finanziert wurde. Beispielhaft wurden vom Wasserwirtschaftsamt Landshut an der Unteren Isar inzwischen Ufer bei Landau und Plattling Uferversteinungen entfernt, die Isar aufgeweitet und Kiesbänke geschaffen und damit der Fluss wieder naturnäher umgestaltet.

2015 wurde von der EU an der Unteren Isar das LIFE-Natur-Projekt Flusserlebnis Isar im Landkreis Dingolfing-Landau genehmigt. Das Gesamtvolumen beträgt rd. 6,3 Mio €, die Projektdauer 7 Jahre. Umgesetzt wird das Projekt in Fortführung des Landshuter Modells gemeinsam von der Regierung von Niederbayern (Höhere Naturschutzbehörde) und dem Wasserwirtschaftsamt Landshut. Es handelt sich um das bisher größte LIFE-Natur-Projekt in Bayern und das erste, welches von Wasserwirtschafts- und Naturschutzverwaltung gemeinsam verwirklicht wird.